Buchweizen – Ein Auslauf-Modell nimmt Anlauf

17.05.2024

Nicht weit von unserem Zuhause liegt das norddeutsche Land des Buchweizens: die Lüneburger Heide. Eine kurze Auszeit dort hat uns im Frühling zum Buchweizen geführt – einem Pseudogetreide, das immer mehr, aber doch noch viel zu wenig Beachtung findet.

Warum Buchweizen?

Ich bin schockverliebt.

Wir kennen Buchweizen heute als ein Pseudogetreide, das vorwiegend in der veganen und vegetarischen Ernährung sowie bei Gluten-Intoleranzen immer beliebter wird.

Aber – Hand aufs Herz: so wirklich kennen wir ihn nicht. Weizen, Roggen oder Hafer sind uns näher als Buchweizen.

Dabei ist er eine der wirklich alten Kulturpflanzen und verdient es, aus dem Schatten zu treten.

Buchweizen ist ein Multitalent und ich war bass erstaunt, was es während der Recherche so alles über ihn zu entdecken gab.

Was er so im Gepäck hat? Hier ist ein Auszug aus seinem Angebot – bitte schön:

  • er ist glutenfrei
  • er enthält viel Eiweiß
  • er ist reich an Kohlenhydraten
  • er bietet eine gute Quelle für Ballaststoffe
  • er ist anspruchslos gegenüber der Bodenqualität
  • er ist sehr bienenfreundlich
  • er gilt als große Heilpflanze und kann z. B. bei Venenleiden helfen und
  • er erhöht die Biodiversität, fängt Stickstoff, schützt gegen Erosion u. a.

Aber wo Licht ist auch Schatten:

  • er kann allergieauslösend sein
  • er ist im Anbau sehr kälteempfindlich
  • er bietet keine Ertragssicherheit
  • er blüht zeitlich ungleichmäßig und
  • er ist sehr anspruchsvoll, wenn es um die Ernte geht

Falls du seine viel gerühmte Backunfähigkeit vermisst: davon sind wir nicht ganz überzeugt.

Ich backe Brot aus Buchweizen, indem ich den Teig fermentieren lasse. Paulas Mann – unser Familienbäcker und Fermentiermeister – hat dabei etwas unterstützen müssen. Und, es klappt wirklich wunderbar. Das Rezept dazu? Unser pures Buchweizenbrot zum Selberbacken für alle Nichtbäcker wie mich.

Wir sind schon gespannt, was du am Ende über Buchweizen denkst. Aber zunächst – we proudly present – diese, seine spannende Geschichte durch die Jahrhunderte und viele globale Kochtöpfe hin in die Pfannen der Lüneburger Heide.

 

Echter Buchweizen – seine Geschichte

buchweizen_korn-gefaess

Darf ich vorstellen? Der Gemeine oder Echte Buchweizen, eine einjährige Pflanze aus der Familie der Knöterichgewächse. Auf schlau, auch Fagopyrum esculentum.

Als sogenanntes Pseudogetreide ist er kein Weizen, und auch im botanischen Sinn kein Getreide.

Auch wenn er Deutschland lebensmittelrechtlich als solches zählt, verwandt ist er mit Sauerampfer und Rhabarber.

Die Anfänge

Wo seine Geschichte genau begann, lag lange im Nebel und so galt Ostasien als die Heimat seiner wilden Vorfahren. Mittlerweile hat die Pflanzengenetik deren Spur bis in die südchinesische Region Sanjiang zurückverfolgen können.

„Unser“ Buchweizen scheint also dort aus einer mehrjährigen Buchweizen-Art des Himalayas und Chinas kultiviert worden zu sein. Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen dazu finden sich in Dokumenten aus dem China des 5./6. Jahrhundert n. Chr.

Sehr viel länger wurden Buchweizen in seinen Ursprungsländern schon wild gesammelt. Archäologen haben Überreste von Buchweizen und Buchweizenpollen in China und Japan aus der Zeit von 3.500 bis 500 v. Chr. entdeckt.

Von China ist er wahrscheinlich noch vor der Zeitenwende, das lässt sich bisher nicht genauer eingrenzen, über Korea nach Japan gekommen.

Dort wurde er im japanischen Altertum, in der offiziellen Chronik Shoku Nihongi das erste Mal erwähnt: 722 n. Chr. forderte ein kaiserlicher Erlass die Bauern auf, Buchweizen (japanisch: soba) zu säen. Wegen schlechter Reisernten wollte man so gegen drohende Hungersnöte vorgehen.

Sehr weitsichtig, aber das konnte in einer Zeit der reinen Empire wohl nur bedeuten, dass man sein „Getreide“ bereits länger und gut kannte.

Der Buchweizen blieb und ist bis heute in Japan als sobagaki (auf Deutsch in etwa „gerührtes Buchweizenmehl“) eine wichtige Nahrungsquelle der Bergregion Japans, in der kein Reis gepflanzt werden kann.

Sobagaki gilt manchem Japaner immer noch als die reinste Art Buchweizen zu essen: Buchweizenmehl und heißes Wasser werden kräftig gerührt und dann sofort mit Sojasauce gegessen.

Später entwickelten sich neben dem Brei auch Kuchen und Knödel und, schließlich, die in Japan heute noch heißgeliebten und hochverehrten Soba-Nudeln.

Geht es dir auch so? Mich beeindrucken die alten Hochkulturen, egal ob in China, Ägypten, Zentralamerika oder wie hier in Japan, immer wieder aufs Neue: wie viel damals bereits bekannt war und wie viel dann wieder verloren ging und erst wieder erfunden oder gefunden werden musste …

Aber jetzt ist Buchweizen und wir wollen noch seinen Weg zu uns nachzeichnen.

Ankunft im Westen

Von China ging seine Reise über den Globus nicht nur gen Osten. Mit der Ausbreitung des mongolischen Reiches kam er nach Nordindien und weiter nach Vorderasien.

Von dort weiter ziehend, hinterließ er entlang der Seidenstraße seine genetischen Spuren und kam still und heimlich immer weiter nach Westen.

buchweizen_tellergericht

Im Mittelalter war Buchweizen über die Handelsrouten – aber vor allem durch die Kreuzzüge – schließlich in Mitteleuropa angekommen. Spätestens ab dem 16. Jahrhundert auch europaweit.

Im Bereich des heutigen Deutschlands taucht sein Name im 14. Jahrhundert auf. In Lüneburg wurde er erstmalig im Jahre 1385 urkundlich erwähnt. Anschließend nahm seine Erfolgsgeschichte auch bei uns an Fahrt auf.

Denn: Überall dort, wo der Boden karg oder sauer war, besonders in den Mittelgebirgslagen und den Hochmooren, wurde er schnell zum Lieblings-„Getreide“ der bäuerlichen Bevölkerung.

Buchweizen meets Lüneburger Heide

Ab dem 16. Jahrhundert wurde Buchweizen also in ganz Europa angebaut. In Regionen wie der Lüneburger Heide war er oftmals täglicher Begleiter.

Er galt als „Weizen“ der ärmeren Landbevölkerung und war ihr Grundnahrungsmittel. So konnte er auf dem täglichen Speiseplan auch als alleiniges Lebensmittel gefunden werden: morgens und abends in Form von Grütze, mittags als Pfannkuchen.

buchweizen_heide
buchweizen_pfannkuchen

Das Leben war hart und oft geprägt von zu wenig Essen. Der Anbau von Buchweizen war eine wichtige Nahrungsquelle in der bäuerlichen Unterschicht.

Aber – ich sprach bereits von seinen Allüren – im Gegensatz zu Weizen ist er weitaus weniger ertragssicher und die Ernte oft gering.

Dafür aber eben ein sehr anspruchsvolles Gewächs: Buchweizensamen sitzen locker am Stängel und fallen beim Dreschen leicht heraus. Ohne ausreichende Erfahrung wird es daher schnell knapp mit dem Ertrag.

Jedoch bei kargen Böden war er zu der Zeit alternativlos.

Das Korn mit den vielen Namen

Seine Bezeichnung „Korn der Heide“ steht natürlich in Bezug zu seinem Anbau in der Heide, stammt aber eigentlich von einem seiner weiteren Namen: dem Begriff „Heidenkorn“.

Und das bezieht sich eben nicht auf seine Rolle in der Ernährung der Heidjer und Heidjerinnen, sondern auf seine Herkunft von weit weg aus dem „heidnischen“ Asien.

Unter welchem Namen er noch auftritt? Nun ein paar seiner Alias sind Heidensterz, Türkischer Weizen, Sarazenenkorn, Schwarzes Welschkorn, Blenden, Tater und Griechen.

Teilweise erkennt man den Bezug zu Moral und Denken der damaligen Zeit, bei anderen tippe ich eher auf Lokalkolorit, da sie auch heute noch speziellen Regionen zugeordnet werden können.

Auch hier tritt er unter verschiedenen Namen auf: In Frankreich heißt er sarrasin oder blé noir, in Spanien trigo sarraceno oder alforfón, in Italien grano saraceno oder fagopiro.

Im portugiesischen firmiert er unter mindestens 4 Namen und in den slawischen Sprachen sind auch jeweils mehrere Bezeichnungen für ihn zu finden.

Für eine seit so vielen Jahrhunderten bekannte Pflanze ist diese Menge vielleicht normal, aber da sie bei uns als Arme-Leute-Essen galt, spiegelt sich hier auch ihre Wahrnehmung im sozialen Geflecht.

Viele seiner Namen haben einen heidnischen oder andersgläubigen Bezug, was ihn in der damals sehr religiösen Gesellschaft diskreditierte. „Welsch“ könnte den veralteten Begriff „undeutsch, fremdländisch“ implizieren. „Sarazener“ war der Oberbegriff für alle Muslime und damit Heiden.

Weltweit erfolgreich, aber nicht wirklich geliebt

Buchweizen war damals in weiten Teilen Europas so stark verbreitet, dass Auswanderer ihn natürlich mitnahmen.

Im 17. Jahrhundert ging er schließlich in den Niederlanden an Bord und gelangte so in die heutigen USA. Dort wurde er in den Kolonien ähnlich wie in Europa zubereitet: zu Pfannkuchen.

Die amerikanischen Pancakes sind somit eigentlich gesunder Buchweizen pur gewesen. Betonung auf gewesen. Das war, bevor die Industrie sie entdeckte, in Fertig-Trockenmixpulver oder flaschenweise abgefüllt in Flüssigpampe verwandelt.

Um es mit unser aller Goethe zu sagen: „Heinrich, mir graut vor Dir“. Aber das ist natürlich nur die Meinung der Verfasserin.

Wie auch immer – die nächsten beiden Jahrhunderte gelten als sein Zenit.

Sein Status der Minderwertigkeit bedingte allerdings, dass neben den regionalen Gerichten wie dem Pfannkuchen, Breien oder Grützen kaum besondere Spezialitäten entstanden.

Die Bevorzugung des damals schon beliebten Weizen, der teilweise sogar dem Adel vorbehalten war, führte dazu, dass niemand, der nicht musste, den „heidnischen“, minderwertigen Buchweizen freiwillig gegessen und sich somit sozial ausgegrenzt hätte.

Die Oberschicht wollte ihn nicht. Daher wurde der Zehnte, die Abgabe an den Grundherren, für ihn im Gegensatz zum Weizen großzügigerweise nicht erhoben. Was wohl auch an den bereits erwähnten schlechten und nicht kalkulierbaren Ernteergebnissen lag.

Es kam so auch zu keiner ausgeprägten Rezeptvielfalt. Es ging ums Sattwerden, nicht um Raffinesse, Chi-Chi oder besseren Geschmack.

Alles blieb daher recht überschaubar: Pfannkuchen, Grütze, Sterz und Brei. In Italien und der Schweiz auch Nudeln, in Nordrhein-Westfalen eine Kochwurst mit Buchweizen.

Die ursprünglich niederländischen poffertjes, bretonischen galettes, nordamerikanischen Pancakes und russischen blini – alle sehr, sehr lecker – sind in ihrer Art auch „nur“ Pfannkuchen.

Im osteuropäischen Raum sind heute noch die káscha, eine Buchweizengrütze, als Beilage zu Fleischgerichten sehr beliebt. Ebenso Teigtaschen, allen voran die polnischen Piroggen.

Das vorläufige Aus

Als im 18. Jahrhundert der Anbau der Kartoffel, die auch mit schlechteren Böden zurechtkommt, immer weiter zunahm – wir danken an dieser Stelle Friedrich dem Großen für seinen Einsatz für die Kartoffel (aber das ist eine andere Geschichte) – wurde es langsam eng für unseren Buchweizen.

Schließlich kam die Industrialisierung ins Spiel und mit ihr der Einsatz von Kunstdünger. Im Westen Europas bedeutete das Aus für den Buchweizen. Im 20. Jahrhundert war er in Deutschland völlig in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht. Dies Schicksal traf übrigens auch Hirse und Dinkel.

 

Und heute? Die Renaissance des Buchweizens

buchweizen_nudeln
buchweizen_muesli

Buchweizen ist wieder begehrt. Immer mehr achten immer mehr auf ihre Ernährung und die Nahrungsgewohnheiten verändern sich.

Zusammen mit anderen Pseudogetreiden wie Quinoa und Amarant ist Buchweizen bislang zwar noch nicht in aller Munde, aber auf einem guten Weg, seinen unverdienten Außenseiterstatus endlich aufzugeben.

Mittlerweile tummeln sich im Internet viele Buchweizen-Rezepte. Wenn du jetzt sofort zum nächsten Laden rennst, um Buchweizenmehl für Pfannkuchen oder Waffeln, Buchweizenkörner für ein Salat-Topping oder Müsli, Buchweizennudeln für eine Pho oder oder zu besorgen, dann können wir das nur zu gut verstehen.

 

Buchweizen kombinieren

buchweizen_pilze-zwiebeln
buchweizen_torte
buchweizen_pancake
buchweizen_soba

Geschmacklich passt Buchweizen zu den verschiedensten Lebensmitteln– sowohl für Herzhaftes als auch für Süßes.

Sämtliche Wurzelgemüse, Obstsorten wie Birne, Heidelbeere, Apfel oder Zitrone sowie Nüsse, Käse, z. B. Feta oder Parmesan, aber auch Ziegenkäse, Pilze und viele Gemüse wie Zwiebeln, Petersilie, Kohle und selbst Kartoffeln harmonieren.

Unser Tipp: Buchweizen mit …

  • … Kartoffeln und Thymian in einer Gemüsepfanne
  • … Karotte und Pilzen als Beilage zu Falafeln oder „Hack“Bällchen
  • … Feta, Knoblauch und Petersilie im Salat
  • … Apfel und Ahornsirup im Müsli
  • … Zwiebel, getrocknete Tomate und Schnittlauch als Veggieburger
  • … schwarzen Bohnen, Walnuss und Palmkohl als Risotto
  • … Marmelade oder Preiselbeeren, Nüssen und etwas Puderzucker als Kuchen

Oder als Brot zu einem leckeren Sandwich verarbeitet, als Nudeln zu köstlicher Pasta oder in Suppen und natürlich – der Klassiker – zu Pfannkuchen verarbeitet und einem Beeren-Zimt-Vanille- oder Honig-Topping genossen, Buchweizen ist und bleibt nun mal ein Multitalent.

 

Unser Buchweizen-Steckbrief

Botanischer Name: Fagopyrum esculentum

Auch bekannt als Heidenkorn, Heidensterz, Türkischer Weizen, Sarazenenkorn, Schwarzes Welschkorn, Blenden, Bokert, Tater, Gricken u.a.

buchweizen_korn-mehl

Aromen- und Geschmackseindruck

Leicht mehlig, mit einem erdigen Geschmack, der von süßlich bis leicht herb reichen kann.

Buchweizenmehl weist leichte Bittertöne auf.

Verwendung in der Küche

Pfannkuchen, Brot, Kuchen, Grütze / Brei, Suppeneinlage, Salat-Topping, Beilage, Nudeln

Passt gut zu: Kräuter & Gewürze

Basilikum, Knoblauch, Petersilie, Thymian, Zimt

Passt gut zu: Lebensmittel

Gemüse, Honig, Hülsenfrucht, Obst, Pilz, Salat

Übrigens …

  • Buchweizen enthält viele Kohlenhydrate, vorwiegend Stärke, und die essenzielle Aminosäure Lysin
  • Und er liefert hochwertiges Eiweiß und ist daher eine wertvolle alternative Proteinquelle
  • „Arzneipflanze des Jahres“ 1999

 

Aromen entdecken – pflanzlich genießen!

 

PS: Bienen zuliebe!

Buchweizen ist eine gute Bienenweide. Pro Blüte werden jeden Tag ca. 0,1 – 2,6 mg Zucker Icon für externe Linksproduziert. Wer in seinem Garten ein Fleckchen dafür hat … neben blau-lilafarbenen Phacelien sieht der weiß-rosa blühende Buchweizen nicht nur schön aus. Zusammen versorgen sie Wildbienen, Hummeln und Co mit Nahrung.

Und der Honig? Der hat mit unserem Garten natürlich nichts zu tun. Dazu braucht es die wirklich großen Felder und viele Honigbienen. Aber Buchweizen-Honig ist etwas ganz Besonderes, wenn auch untypisch: stark aromatisch, herb wie der Buchweizen und sehr dunkel in der Farbe. Beste Qualität bekommst du beim heimischen Imker.

Das war cool?

Hier gibt’s mehr …

Tür 9: Safran: Rotes Gold für die Weihnachtsküche

Tür 9: Safran: Rotes Gold für die Weihnachtsküche

Heute öffnet sich ein wahres Goldstück der Gewürzwelt hinter unserem Türchen: Safran! Das teuerste Gewürz der Welt, mit seinem unverwechselbaren Geschmack – ideal für festliche Menüs, bringt Safran nicht nur Farbe, sondern auch ein luxuriöses Aroma, das deine...

Tür 7: Thymian, Rosmarin & Salbei: Das Trio der Winterküche

Tür 7: Thymian, Rosmarin & Salbei: Das Trio der Winterküche

Winterzeit ist Kräuterzeit. Hinter dem heutigen Türchen verbergen sich drei Kräuter, die aus der Weihnachtsküche nicht wegzudenken sind: Thymian, Rosmarin und Salbei. Mit ihren vielseitigen Aromen zaubern sie festliche Wärme und den typischen Geschmack der Winterzeit...

Let’s schnack

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Consent Management Platform von Real Cookie Banner